Seit dem Ende der Winterferien sind die Schulen geschlossen, statt Präsenzunterricht im Klassenraum gibt es Distanzunterricht zu Hause. Für ältere Schüler weiterführender Schulen erfordert das ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Jeden Tag allein am Schreibtisch dem Unterricht zu folgen: Dazu gehört, sich jeden Tag selbst motivieren zu können. Auch für Eltern ist diese Situation neu.
Wie kommen ältere Schüler und ihre Eltern mit dem Distanzunterricht zurecht? Wo läuft es gut, wo hapert es? Machen sie sich Sorgen um die Zukunft – etwa um anstehende Prüfungen? Das BBV hat dazu beispielhaft Schüler und Elternvertreter des Bocholter Euregio-Gymnasiums befragt. Dort arbeiten die Schüler seit fünf Wochen im Distanzunterricht. Dieser orientiert sich dort nach dem normalen Stundenplan. Zu jeder Schulstunde gibt es am Rechner Videokonferenzen in dem jeweiligen Fach (außer Sport). Dazu benutzen die Schüler das Programm Microsoft Teams.
Jannik Thesing, Stufe Q1: Die Live-Meetings ab 8 Uhr sieht Jannik Thesing positiv. „Der größte Vorteil ist, dass wir eine Struktur in unseren Tag bekommen und nicht erst immer ausschlafen und dann stumpf Aufgaben machen“, sagt er. Mit dem normalen Unterricht sei das zwar nicht vergleichbar, dennoch könne man viel aus dieser Zeit mitnehmen. „Zum Beispiel, dass man alle erarbeiteten Materialien online, immer zugänglich zur Verfügung gestellt bekommt“, so Thesing. Bedenken wegen des anstehenden Abiturs habe er durchaus, weil die Schüler derzeit nicht so viel schaffen würden wie im normalen Präsenzunterricht. Thesing: „Aber wenn wir so den Online-Unterricht weiter durchziehen, nimmt mir das wiederum ein wenig die Angst, weil wir trotzdem viel schaffen.“
Malte Hitpaß, Stufe Q2: Der Distanzunterricht funktioniere überraschend gut, meint der Schüler. „Durch den Unterricht nach Stundenplan ist man deutlich strukturierter und motivierter als im ersten Lockdown“, sagt er. Durch den täglichen Kontakt fühle man sich nicht völlig isoliert und in der Gruppe lerne man den Stoff besser, schneller und spielerischer. Malte Hitpaß macht im Sommer Abitur und fühlt sich trotz des Distanzunterrichts gut vorbereitet. „Trotz alledem wünsche ich mir, wieder in naher Zukunft Präsenzunterricht zu haben“, sagt er.
Felix Jamin, Stufe Q1: Der Distanzunterricht über Videokonferenzen laufe im Großen und Ganzen gut, meint der Schüler. Die Konferenzen gäben den Schülern eine gewisse Struktur. Außerdem wirke diese Methode dem entgegen, dass einzelne Schüler auf der Strecke bleiben. „Vergleicht man das Ganze mit dem ersten Lockdown, so ist es nahezu allen Schülern möglich, Schritt zu halten und es wird viel geschafft“, sagt Felix Jamin. „Dadurch sind die Sorgen um mein Abi deutlich geringer als noch im Sommer 2020.“
Die Schattenseiten sieht er jedoch in Fächern, bei denen auch praktische Arbeit gefragt sei, etwa in Physik. „Das Anschauen eines Youtube-Videos kann natürlich nicht mit dem Experimentieren mithalten, bietet aber eine gute Ersatzmöglichkeit“, findet er. Auch Felix Jamin hofft, dass er baldmöglichst wieder in den Präsenzunterricht gehen kann.
Rebekka Wiemer, Stufe Q2: Der Online-Distanzunterricht hat für die Schülerin vor allem den Vorteil, dass es für jeden Kurs online eine Sammlung an Dateien gibt, in der alle wichtigen Kursmaterialien abgelegt werden. Technische Probleme bei Schülern oder Lehrern seien das einzige Manko der Unterrichtsform. „Dazu ist es in Fächern wie Biologie oder Mathematik manchmal etwas schwerer, die Themen nachzuvollziehen“, findet sie. Immerhin: Durch das Programm Microsoft Teams lerne man den Umgang mit digitalen Geräten. „Das kann für die Zukunft viel Gutes mit sich bringen“, meint Rebekka Wiemer. Sorgen vor der Prüfung mache sich die Abiturientin nicht. Der Distanzunterricht würde sie persönlich genauso gut vorbereiten wie Präsenzunterricht.
Luisa Buß Dias dos Santos, Klasse 7d: „Es gibt eine Struktur und es ist sehr nah an dem normalen Unterricht“, sagt die Schülerin. „Aber es muss auch gutes Internet vorhanden sein.“ Außerdem müsse man auch erst einmal mit dem Programm Microsoft Teams zurechtkommen. „Ich finde, man kommt gut mit dem Unterrichtsstoff mit, weil es dem normalen Unterricht sehr ähnelt.“ Ein Vorteil: Nachher könnten kranke Kinder den Unterrichtsstoff leichter nachholen. „Trotz der guten Lösung mit dem Homeschooling wünsche ich mir, in naher Zukunft in die Schule zu gehen“, sagt die Siebtklässlerin.
Justus Hummels, Stufe EF: Der feste Stundenplan mit den Online-Konferenzen hilft Justus Hummels, einen geregelten Tagesablauf zu bekommen. „Und es ist einfacher, sich zu motivieren“, sagt er. Generell sieht er in dem Online-Unterricht eine große Chance. „Ich wünsche mir für die Zukunft, dass es genau so weitergeht, denn das digitale Lernen erleichtert den Schulalltag enorm.“
Dennoch berge das Homeschooling auch Probleme, etwa bei Schülern, denen es schwerfällt, sich selbst zu motivieren. Oder Schülern, die Probleme haben, in Videokonferenzen etwas zu sagen. Deshalb sei es wichtig, dass Lehrer in Videokonferenzen auf schüchterne Schüler zugehen und schwierigen Stoff geduldig erklären.
Jannes Garon, Schülersprecher, Stufe Q1: Der Schülerverteter des Euregio-Gymnasiums lobt vor allem den Ansatz seiner Schule, den Distanzunterricht 1:1 mit dem normalen Stundenplan zu verknüpfen. Positiv am Online-Unterricht sei etwa, die Mitschüler regelmäßig zu sehen. „Man ist als Klasse getrennt zusammen“, sagt Garon. Lehrer könnten Unterrichtsmaterialien leichter an die Schüler vermitteln, eine direkte Konversation mit dem Lehrer sei stets möglich. Aber: „Ein Nachteil des Unterrichts ist, dass man sehr viel vor dem Computer sitzt und somit Rückenbeschwerden unvermeidlich sind“, sagt er. Helfen würde es da, dass die Stufen Q1 und Q2 einen Online-Sportkurs veranstalten. Allzu große Sorgen um sein Abitur macht sich Garon nicht, „weil ich zurzeit nicht das Gefühl habe, dass ich im Unterricht erhebliche Inhalte verpasse oder nicht verstehe“.
Sarah Konert, Schulpflegschaftsvorsitzende: Die Elternvertreterin hat mit vielen anderen Eltern des Euregio-Gymnasiums gesprochen. Ergebnis: Grundsätzlich seien die Eltern „sehr zufrieden“ mit dem Distanzunterricht und der Arbeitsweise am Euregio-Gymnasium. „Insbesondere im Vergleich zum Frühjahr funktioniert das gesamte System sehr gut und alle fühlen sich gut unterstützt und aufgehoben“, sagt sie. Der Unterricht nach Stundenplan gebe den Schülern eine gewisse Struktur und helfe ihnen, sich besser zu organisieren. Das sei von Vorteil, da es weniger Unterstützung von den Eltern fordert, so Konert.
Sorge bereiteten manchen Eltern jedoch etwa die langen Bildschirmzeiten, wenig Bewegung und die fehlenden sozialen Kontakte. Dieser Zustand lasse sich aktuell aber nicht ändern, darin seien sich diese Eltern einig. Eltern der oberen Jahrgänge hätten zudem den Eindruck zurückgemeldet, dass die anfängliche Disziplin wieder nachgelassen habe. Es gebe Schüler, die bewusst ihre Kamera ausstellen, nebenbei Computerspiele „zocken“ oder auf dem Handy spielen. „Es ist schwierig, das zu unterbinden, aber im Schulunterricht würden sich die Schüler das wohl eher nicht trauen“, meint Konert. Einige Eltern seien zudem besorgt, dass Unterrichtsstoff nicht so intensiv besprochen und vertieft werden kann. Deren Befürchtung sei: Schüler könnten dem Lehrplan hinterherhängen und in Zukunft Probleme bekommen.